Das komplette Gegenstück zur 151 von Kommunisten – die Baureihe 155.
Von ihnen liebevoll als „Energiecontainer“ getauft, von den Kapitalisten eher als „Stasicontainer“ gesehen. Hinter der Mauer wurde sie für dasselbe konzipiert wie die 151 – schwere Güterzüge. In der Gegenwart sind die Baureihen sich auch wieder ähnlich – beide fahren nicht mehr bei der DB. So sind es die Privaten, die sie am Leben halten. Da ich hier nun aber keine politische Diskussion lostreten will, widmen wir uns gemeinsam der Vorgeschichte dieses Fotos – denn wie so oft steckt weit mehr dahinter, als gedacht.
29. August des letzten Jahres.
Hobbykollege Malek A. (flickr.com/photos/200966325@N07) gastierte bei mir zuhause. Wie so oft war für den nächsten Tag ein Ausflug ins glamouröse Altmühltal geplant. Bei angenehmen 20 °C schauten wir gegen 23:30 Uhr gemeinsam, was uns am nächsten Tag an Güterzügen erwarten würde. Die 111er-Umläufe auf der RB16 waren im Handumdrehen ausgemacht und aufgeschrieben. Dabei stellte sich bloß die Frage, ob eine Garnitur mit Südlok verkehrte oder nicht. Da das öffentliche und das nicht öffentliche System keine Wagenreihung eingetragen hatten, entschieden wir uns trotzdem, einen der ersten Züge Richtung Franken zu nehmen. Grund dafür war auch eine EBS-155, welche sich ankündigte. Schnell Zeitlagen mit Sonnenstand verglichen – „oha, die kommt im Licht“. In der Nacht wurde kein Auge zugedrückt. Eine Einkehr im Restaurant zur goldenen Möwe sowie ein angenehmer Aufenthalt an einer Aussichtsplattform hielten uns vom Schlafen ab – abgesehen von den teils utopischen Mengen Koffein.
30. August des letzten Jahres, 4:30 Uhr, Stuttgart Hauptbahnhof.
Die Tour konnte nun also beginnen, der Flirt setzte sich pünktlich in Bewegung – alles lief perfekt. An Schlafen war zu jener Zeit nicht zu denken, in der Zeit tippte ich schon fleißig in die Tasten und erstellte den Text zu diesem Bild: flic.kr/p/2qcNvmv
Nach einem Umstieg in „Crailse“ und Ansbach befand man sich nun im RE80-Ersatzpark der WFL. Dieser verkehrte mit DR-Dostos – jene sind wahrhaftig kein bequemes Fortbewegungsmittel, so meine Erfahrung. Wir wurden knallhart eines Besseren belehrt: Zusammen suchten wir die „Lounge“ im ersten Wagen auf. Diese befindet sich beim Treppenaufgang, wobei sich loungeartig links und rechts längliche Sitze befinden. Schnell den Rucksack als Kissen umfunktioniert und mal geschaut, wann der Rücken anfängt zu schreien. Ein Hauptkritikpunkt an DR-Dostos ist die fehlende Klimaanlage sowie das Fehlen von Übersetzfenstern, um die Hitze kompensieren zu können. Um 8:00 Uhr morgens war es noch nicht heiß, sondern kuschelig warm. Dazu noch das entspannende Geräusch des Ladylüfters plus unsere Müdigkeit bewirkten eine Einschlafzeit von unter fünf Minuten. Die 30 Minuten bis Treuchtlingen, wo ein weiterer Umstieg auf uns wartete, wurden knallhart durchgeschlafen – bis ich zwei Minuten vor Abfahrt unseres Anschlusszuges durch ein Wunder aufwachte. Das Schicksal war nun von mir bemerkt worden, aber nicht akzeptiert. Zahlreiche Versuche, Malek aus dem Land der Träume zu holen, scheiterten. Bis heute bin ich der Meinung, dass man eine Kernspaltung neben ihm hätte durchführen können, ohne dass es ihm aufgefallen wäre. Nach etwas härteren Schlägen wachte auch er auf, und zusammen wurden die Beine in die Hände genommen. Unfassbarerweise haben wir den Anschluss noch bekommen.
Eventuell fragt ihr euch, wo denn Hobbykomiker Konstantin E. geblieben ist. Eine Beschreibung ohne ihn ist selten, gar unmöglich? Richtig!
Auch er wusste von unserem Plan und hatte sich schon auf den Weg gen Söderland gemacht. Ich hatte ihm in den Vortagen zur Tour angeboten, auch bei mir zu nächtigen. Dieses Angebot lehnte er aber – ganz Konstantin-E.-like – ohne nachvollziehbares Argument dankend ab. Warum das eventuell fatal war, thematisieren wir später.
Eine Viertelstunde später sahen wir uns auf Dollnstein Boden wieder. Ziel für jetzt? Der legendäre Affenfelsen. Wie eingangs erwähnt, wussten wir nicht, ob die Garnitur, die im Licht verkehrt, Nord- oder Südlok besaß. Licht war zu dem Zeitpunkt eh nicht viel vorhanden, die Altmühl produzierte ordentlich Nebel, am Horizont bildete sich immer mehr Dunst (neumodisch heißt das „Schlonz“, glaube ich). Nachdem die gesuchte RB16-Garnitur mit Steuerwagen voraus an uns vorbeibremste und der grüne TX-Offroad-Vectron 193 234 in den Rücken rollte, war die Stimmung gehemmt. So nutzten wir das Dunstfenster aus, um in eine der Breitenfurter Kurven zu gelangen – da ja noch die 155 auf dem Plan stand. Eine Eigenschaft, die mir persönlich am Altmühltal sehr gefällt, ist wohl, dass man praktisch zu jeder Zeit für jede Richtung mindestens eine schöne Stelle zur Verfügung hat.
In Breitenfurt angekommen und in den Schatten gesetzt, wurde erstmals an diesem Tag eine telefonische Schaltung zu Konstantin E. versucht. Wir erzählten ihm von der angekündigten 155 sowie anderen Güterzügen. Er nahm alles gelassen: „Würde ich schon schaffen.“ Sehr zu unserer Freude erschien in der Ferne eine der brandneuen DB-Vectrons mit einem sehr fotogenen EZ. Nach einem weiteren Telefonat mit Konstantin wussten wir, dass er noch einen Zwischenstopp im Edeka einlegen würde. Das nutzten wir direkt, um eine Bestellung aufzugeben. Mit den Worten: „Ja, eh nur eine 155“ legte er auf. EBS’ bestes Stück hatte inzwischen Ingolstadt verlassen – es würde also nicht mehr lange dauern. Und so war es dann auch: Schnell einen Baum erklommen und auf den Auslöser geklickt. Der Dunst war mittlerweile weggezogen – ein schönes Foto!
25 Minuten später konnte man dann ein leises Rattern vernehmen. Nach genauerem Hinsehen erkannte man Hobbyausdauersportler Konstantin E. auf einem Tretroller, der vielleicht so groß war wie sein Schienbein. Da er unsere Bestellung an Speis und Trank dabeihatte, wurde nun ein kleines Picknick eingeleitet, wobei man auch den Verlauf des restlichen Tages besprach.
Es wurde sich auf die Innenkurve in Eichstätt geeinigt, um dort den standardisierten Elfer-Umlauf zu versuchen. Bei Ankunft fanden wir uns aber leider im Urwald von Eichstätt wieder – womöglich ein neues Feature des Naturschutzgebiets Altmühltal. Die Büsche hatten teilweise solch utopische Höhen erreicht, dass man selbst mit einer Gartenschere den Kürzeren gezogen hätte. Also: improvisieren – das Feld hochgehen. Malek und mir gefiel die Stelle dann gar nicht mehr, und nach einem Blick ins System war ein Güterzug von TX Logistik angekündigt – danach fast eine Stunde kein Güterzug. Wir verständigten uns mit Hobbybadenser Konstantin E., nach der 111 das Weite zu suchen.
Wieder zurück in Dollenstein schleppten wir uns gemächlich zur nächsten Stelle – die Müdigkeit war nun stark bemerkbar. Oben angekommen, wurde sich auf eine traumhaft gelegene Bank gesetzt – und ein Mittagsschlaf vollzogen.
Ein Bild von diesem Nachmittag ist auch schon online: flic.kr/p/2qp2WWe
Da das Wetter abstürzte, trommelten wir Konstantin wieder zusammen und traten gemeinsam die Heimreise an. Die verlief leider gar nicht rund – gestartet mit einem übervollen RE90, der schließlich in Backnang wegen eines PUs (Personenunfall) stecken blieb. Wir entschieden uns, den PU zu umfahren. Zwischen Backnang und Marbach ist die kleine Murrbahn wegen eines Erdrutsches gesperrt, weswegen ein SEV aufgestellt wurde. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die Busse zu finden, befanden wir uns in irgendeinem Bus – Maps sagte zumindest, dass wir in die richtige Richtung fahren. Ein Fortschritt.
In Marbach wollten wir in die S-Bahn umsteigen, ehe wir bemerkten, dass wir die letzte S-Bahn um knapp drei Minuten verpasst hatten, da nun die Strecke zwischen Marbach und Freiberg (Neckar) wegen nächtlicher Bauarbeiten gesperrt war. So warteten wir also am Bahnhof auf den nächsten SEV-Bus. SEVs fahren in der Regel willkürlich umher – so auch heute. Wir warteten und warteten.
Irgendwann hatte Konstantin E. die Nase voll und lief schnurstracks auf eine Kaufland-Filiale zu. Ich akzeptierte das Schicksal – laut Plan sollte der nächste Bus in sieben Minuten kommen. Zehn Minuten später erspähte ich Essenstester Konstantin mit einem Börek in der Hand. Der Bus tauchte natürlich nicht pünktlich auf, damit war die Anschluss-S-Bahn in Freiberg (Neckar) verpasst.
Nach Minuten der Ungewissheit tauchte ein Bus auf – Passagiere von zwei 430ern quetschten sich in einen Bus, und die Fahrt konnte beginnen. In Stuttgart angekommen, trennte man sich von Konstantin E. Für Malek und mich ging’s nach guten 37 Stunden auf den Beinen ins wohlverdiente Bettchen.
Ein Dutzend Schatten auf der Lok sowie Graffitis aufden Kesselwagen wurden Digital vernichtet.