
Im politischen Berlin herrscht dieserzeit Empörung, weil die Justiz erstmals seit der SPIEGEL-Affäre 1962 gegen zwei Journalisten wegen Landesverrats ermittelt. Die beiden Blogger hatten über interne Pläne des Bundesamts für Verfassungsschutz berichtet, die Internet-Netzwerke stärker überwachen wollen. Dazu veröffentlichten sie geheime Unterlagen des Verfassungsschutzes.
Es handelt sich dabei um das Blog Netzpolitik.org mit ihren beiden Redakteuren Markus Beckedahl und André Meister sowie gegen vermutlich einen Informanten. Der Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat ein -laut Netzpolitik.org- "inszeniertes" Ermittlungsverfahren wegen angeblichen Landesverrats angestoßen. Dagegen richtete sich Protest.
Aus Solidarität demonstrierten daher am Samstag, 1. August 2015 zwischen 1.500 bis 2.000 Unterstützer, diverse Presseverbände, Journalisten und NGO´s in Berlin für die Grundrechte, für die Pressefreiheit sowie "gegen die Einschüchterung von netzpolitik.org, seiner Quellen und Informanten". Sie protestierten weiterhin gegen den Generalbundesanwalt Harald Range sowie den Verfassungsschutz resp. den Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen.
Es kamen mehr Menschen als erwartet. Bei strahlendem Sonnenschein und lauten Musikbässen zog die Demonstration mit ihren vielen Unterstützern in einem Zug vom Bahnhof Friedrichstraße, vorbei an den Touristen in den Cafés Unter den Linden bis hin zum Justizministerium in der Mohrenstraße. Unter Plakaten wie: "Maaßen nach Moskau – offenbar Kreml-Verständnis von Pressefreiheit", "Pressefreiheit ist kein Landesverrat!", "Zurücktreten, Herr Maaßen!", "Demokratie ohne freie Presse ist keine" oder auch: "Maaßen statt Massenüberwachung" machten sich die Unterstützer Luft.
Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen schloss sich der Kritik an Range an. "Dieser Einschüchterungsversuch ist ein Missbrauch des Strafrechts, den wir leider aus anderen Regionen nur zu gut kennen", sagte eine Vertreterin. Als Organisation, die sich weltweit für Pressefreiheit einsetze, bedauere man, "dass die Bundesanwaltschaft durch ihr Vorgehen den Ruf unseres Landes beschädigt, ein sicherer Ort für Journalisten zu sein".
An der Demonstration beteiligten sich viele bekannte Netzaktivisten, die bereits durch die "Freiheit statt Angst" Demonstrationen rund um Informationsfreiheit, anlasslose Onlineüberwachung und für Datenschutz bekannt sind. So war auch der US-amerikanische Internetaktivist Jacob Appelbaum an diesem Tag als Redner anwesend, der über Mikrofon den Demonstranten zurief:"Lasst uns noch viel mehr Dokumente veröffentlichen!". Jeder wisse jetzt, welchen Journalisten man vertrauliche Dokumente anvertrauen könne. Dem deutschen Verfassungsschutz, der den Terroristen des NSU geholfen habe, sagte er: "Wir sind alle Landesverräter!" (...) Und weiter: "Range und Maaßen haben uns geholfen: Sie haben uns gezeigt, dass die Geheimdienste überall auf der Welt außer Kontrolle geraten sind". Anstatt gegen die Blogger zu ermitteln, sollten besser "wirkliche Kriminelle" verfolgt werden: die Urheber der Massenüberwachung, die NSU-Kollaborateure im Verfassungsschutz und die Brandstifter von Flüchtlingsheimen.
Beckedahl bezeichnete die Ermittlungen "als eindeutigen Angriff auf die Pressefreiheit und als ganz eindeutigen Einschüchterungsversuch in unsere Richtung, in Richtung sämtlicher Journalisten, die über diesen Überwachungskomplex berichten, und alle Quellen in Behörden im politischen Berlin, die dazu beitragen, Licht ins Dunkle zu bringen, wie unsere Geheimdienste in das Netzwerk von NSA und Co. eingebunden sind."
Der Journalist Andre Meister verwies zum Abschluss der Kundgebung vor dem Ministerium von Justizminister Heiko Maas (SPD) auf die Bedeutung von Informanten wie Edward Snowden zur Aufklärung von Geheimdienstthemen hin. "Wenn Exekutive, Legislative und Judikative diese staatlichen Institutionen nicht adäquat beaufsichtigen können, braucht es mutige Menschen in den Machtapparaten, um auf Missstände hinzuweisen, damit Medien als vierte Gewalt ihre Arbeit machen können", so Meister.
Am Ende der Demonstrationen verteilten die Organisatoren 500 Exemplare der geheim zu haltenden Texte und machten damit die Teilnehmer zu Komplizen des Landesverrats.
Ganz im Interesse von Appelbaum, der auf seiner Rede auch gesagt hatte: "Wir müssen zusammenarbeiten, um unsere Demokratie zu schützen. Und das bedeutet, wir müssen unsere Pressefreiheit schützen. Come and get us all, motherfuckers!".
Russische Propagandisten der Veranstaltung verwiesen
Beckedahl und Meister mussten sich allerdings schon vor Demonstrationsbeginn mit unliebsamen Unterstützern des russischen Regimes aus dem Umfeld des "Anti-War" Café herumärgern, die auch bei den Mahnwachen für den Frieden, beim Friedenswinter, bei Ostermärschen und nachweisbar bei Reichsbürger/нод-Protesten vertreten sind und für Russland mit Propaganda und Falschinformationen werben.
Es handelte sich dabei um eine bekannte Gruppe u.a. um den öffentlichkeitswirksamen Ukrainer Oleg M. mit allerdings kremltreuer Ansicht, der derzeit von der Partei DIE LINKE in Bezug auf den Ukraine-Russland Konflikt regelrecht hofiert wird und somit seine Propaganda auf ganz offiziellem Weg verbreiten kann. Das führt auch immer wieder dazu, das es manchen Verantwortlichen von Demonstrationen und Protesten schwer fällt, diese zu verweisen, da die Propagandisten sich dann gern auch auf die Partei DIE LINKE berufen, die ihnen letztendlich eine "gute Alibi-Funktion" gibt, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Nicht so aber bei Beckedahl und Meister sowie bei Daniel Domscheit-Berg (ehemaliger Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks) und weiteren Netzaktivisten. Sie durchschauten schnell die Agitation der Täuschung und über Mikrofon wurde dazu aufgerufen, ihr Transparent wieder einzupacken und zu gehen. Er bezeichnete sie als russische Rechtsradikale. Es gab noch hitzige Diskussionen von Angesicht zu Angesicht.
Auf ihrem Transparent stand in kyrillischen Buchstaben: "Zünde eine Kerze zum Gedenken an". Das Foto darauf zeigte den ukrainischen Journalisten Oles Buzyna, der im April 2015 bei einem Attentat gezielt ermordet wurde. Buzyna war ein Gegner der proeuropäischen Proteste des Kyjiwer Euromaidan. Er kandidierte zu Beginn des Russlandkrieges bei der Parlamentswahl 2014 erfolglos für die pro-russische und teils panslawistische Partei: Russischer Block. Nach dem Mord hat sich eine nationalistische Gruppe namens "Ukrainische Aufständische Armee" (UPA) zu diesen und anderen Attentaten bekannt.
"Es gehe doch hier um die Freiheit", brüllte der bärtige Aktivist, auf dessen T-Shirt "Novorossia" – für "Neurussland" stand. Die Demonstranten antworten darauf: "Haut ab! Haut ab!". Etwas widerwillig packten die vier ihr Banner ein.
Novorossia war ein Pseudo-Staat, den Russland militärisch in der Ukraine besetzen ließ (mit dem Projekt "Neurussland“ verfolgte Putin das Ziel der "Rückeroberung" des Südostens der Ukraine durch Moskau). Soviel zur Freiheit.
Einige bekannte Teilnehmer und Protagonisten der "Mahnwachen für den Frieden" (klassisch mit Orwell-Plakat in der Hand) waren der Netzpolitik-Demo allerdings erhalten geblieben und provozierten subtil Medienvertreter, stellten sich hinter andere Aktivisten mit Schildern (um vermeintlich seriös ins Foto zu kommen) und fotografierten Journalisten ab, die auch die Mahnwachen kritisch begleiten. Diese Fotos werden natürlich nicht veröffentlicht.
Aber auch weitere Regime, die die Pressefreiheit nicht achten, zeigten angebliches Interesse an der Arbeit von netzpolitik.org. U.a. war eine Reporterin von PressTV gekommen. Doch Beckedahl ließ sie wissen, dass er nicht mit dem iranischen Staatsfernsehen spricht. Mit dem russischen Propagandasender RT Deutsch hält er es ebenso.
Die Demonstration verlief friedlich.
Nachtrag
Der ehemalige Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Harald Range († 2018) wurde im September 2015 unfreiwillig in den Ruhestand versetzt. Range hatte das Verfahren nach einer Anzeige von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen eingeleitet.
Im November 2018 wurde der frühere Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen unfreiwillig "in den Ruhestand versetzt". Seine Kritik an der Medienberichterstattung zu den Ausschreitungen in Chemnitz 2018 löste eine Kontroverse aus und trug maßgeblich zu seiner Absetzung als Verfassungsschutzpräsident bei.
Nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden aus dem Amt fiel Maaßen mit politischen Stellungnahmen auf, die mitunter als antisemitisch, rechtsextremistisch und verschwörungsideologisch bewertet wurden. Maaßen bestreitet die Vorwürfe. Ende Januar 2024 wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz ihn als Beobachtungsobjekt im Bereich Rechtsextremismus führt. Maaßen hat gegen dieses Verwaltungshandeln Klage eingereicht.
hinzugezogene Quellen:
netzpolitik.org/2015/verdacht-des-landesverrats-generalbu...
netzpolitik.org/2015/demo-am-1-august-fuer-grundrechte-un...
netzpolitik.org/2015/bericht-von-der-demo-fuer-grundrecht...
www.golem.de/news/demo-wegen-landesverrat-come-and-get-us...
www.zeit.de/politik/deutschland/2015-08/netzpolitik-org-d...
www.tagesspiegel.de/berlin/beckedahl-landesverrat-mussten...
taz.de/Demonstration-in-Berlin/!5220743/
www.youtube.com/watch?v=aaXkmykYFZM (Video der Demonstration von Castor TV)
netzpolitik.org/2015/landesverrat-die-strafenzeigen-gegen...
www.spiegel.de/politik/deutschland/netzpolitik-affaere-bl...
Hintergründe zum Störprotest
www.youtube.com/watch?v=dOdBaCxmqCQ (Video über die russische Propagandisten von Berlin Visual)
www.ostpol.de/beitrag/5023-tatort-kiew-politische-attenta...
www.bbc.com/ukrainian/ukraine_in_russian/2015/04/150417_r...
www.dw.com/de/kiewer-morde-nationalisten-bekennen-sich/a-...
khpg.org/en/1450654686
de.wikipedia.org/wiki/Föderativer_Staat_Neurussland
Nachtrag
www.deutschlandfunk.de/ermittlungen-gegen-netzpolitik-org...
de.wikipedia.org/wiki/Harald_Range
www.deutschlandfunk.de/hans-georg-maassen-cdu-parteiaussc...
de.wikipedia.org/wiki/Hans-Georg_Maaßen
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Stand: Fotos (August 2015), Text (August 2015 mit Update Oktober 2024)