
Photo: Skulptur auf dem Nordfriedhof in Wiesbaden
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Die man, weil ihr zartes Alter blühet
- Trostlied über den Tod lieber Kinder -
1.) Die man, weil ihr zartes Alter blühet
Und den schönsten Rosen ähnlich siehet,
Ins Grab muss tragen,
Sind mit keinen Tränen zu beklagen.
2.) Keiner wolle die Gedanken fassen,
Als ob sie der Höchste sollte hassen,
Weil von der Erden
Sie so zeitlich hingeraffet werden.
3.) Nein, o nein! So gibt Gott sein Gemüte,
Seine Gnad' und treue Vatergüte
Uns zu verstehen,
Wenn er bald uns himmel-auf heißt gehen.
4.) Selig, selig sind vielmehr zu preisen,
Die so bald von hinnen mögen reisen
Und in den Jahren
Ihrer Blüt' aus diesem Leben fahren.
5.) Ihre Seele hat gewiss vor allen
Ihrem Gott und Schöpfer wohl gefallen,
Der sie erwählet
Und vom Übel früh hat losgezählet.
6.) Seine Liebe hat ihn überwunden,
Dass er sie, eh' sie es recht empfunden,
Dem bösen Leben
Frei und freudig gute Nacht heißt geben.
7.) Wie ein Wandersmann sich nicht verweilet,
Sondern schleunigst nach der Herberg eilet,
Da er vor Winden
Und Gewitter Schutz und Ruh' kann finden,
8.) So pflegt Gott mit denen zu verfahren,
Die er will vor vieler Angst bewahren,
Die er vom Bösen
Gnädig weg will reißen und erlösen.
9.) Aus der Welt, da wir von allen Seiten
Stets mit Angst und Jammer müssen streiten,
Lässt er sie kommen
Zu der Lust, die keiner hier vernommen.
10.) O, wie Wechsel, der ja hoch zu schätzen,
Der ja billig allem vorzusetzen,
Was unsre Sinnen
In der eitlen Welt oft liebgewinnen.
11.) Hemmt, ihr Eltern, hemmt die tiefen Schmerzen,
Nehmt den Unfall nicht zu sehr zu Herzen.
Lasst euer Flehen. -
Eurem Kind ist mehr als wohl geschehen.
12.) Gott, dem seine Seele wohl gefallen,
Lässt es hier nicht lang in Nöten wallen,
Die uns so kränken,
Sondern eilt, den Himmel ihm zu schenken.
13.) Fasset Trost und gebet euch zufrieden.
Was soll Leid und Trauern euch ermüden?
Seid ihr betrübet,
Dass sein Gott so hoch es hat geliebet?
14.) Bald wird der gewünschte Tag erscheinen,
Der die Liebsten, die wir jetzt beweinen,
Im bessern Leben
Wird mit Freud und Wonn' uns wiedergeben.
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Autor: Johann Peter Titz
Melodie: ohne Angaben
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Die geistliche Dichtung von Luther bis Klopstock
ausgewählt und eingeleitet von Paul Pressel
erschienen als 5. Band der Evangelischen Volksbibliothek
Verlag Adolph Becher, Gustav Hoffmann
Stuttgart, 1863
Thema: Tod und Ewigkeit
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Johann Peter Titz, auch Tietze oder Titius (* 10. Januar 1619 in Liegnitz in Niederschlesien/Böhmische Kronländer; † 7. September 1689 in Danzig) war ein deutscher Pädagoge, Dichter, Poetiker und evangelischer Lieddichter. Titz wurde als Sohn eines Arztes geboren und besuchte das Breslauer Elisabethgymnasium. Nach dem Tod seiner Eltern zog er im Jahr 1635 nach Danzig um, wo er den Besuch des Gymnasiums fortsetzte und anschließend in Rostock Rechtswissenschaften, später Altertumswissenschaften studierte. Im Jahr 1648 wurde er als Konrektor an die Danziger Marienschule berufen. Bedingung für eine Berufung als Lehrer an das Danziger Gymnasium war ein Studienabschluss, den Titz in Leiden nachholte. Seinen Dienst angetreten, übernahm er auch die Unterrichtung in den Fächern Poesie und Rhetorik. Ungeachtet seiner vielseitigen beruflichen Verpflichtungen, verfasste er über 200 Werke, die in Einzeldrucken erschienen. So verfasste er eine eigene Poetiklehre, in der er sich an seinem Vorbild Martin Opitz orientiert. Ein Widmungsgedicht von Simon Dach bezeugt, dass Titz inzwischen dem Königsberger Dichterkreis beigetreten war. Schon 60-jährig, heiratete er noch einmal, und zwar Aurelia, die Tochter des Architekten Georg von Strackwitz aus Danzig. Titz verstarb mit 70 Jahren in seiner Danziger Wahlheimat. Von seinen geistlichen Liedern sind 15 überregional bekannt geworden und stehen in Kirchengesangbüchern und Liedanthologien des 17. bis 20. Jahrhunderts. Sein bekanntestes Lied ist ein Lied mit fünf Strophen und heißt 'Willst du in der Stille singen'. In einer kleinen Sammlung waren im Jahr 1650 Lieder von Titz unter dem Titel 'Johann Peter Titzens Zehen Geistliche Lieder' erschienen.
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