"Hey, machen wir nochn Gruppenfoto fürs Album!" sagt Barbara.
Cheese.
"So, jetzt bist du dran, Shirley. Du hast noch nichts gesagt, was dir Palermo gebracht hat."
"Oh mei, das ist schwierig." sagt Shirley. "Ich schau auf Palermo mit gemischten Gefühlen. Das liegt aber bestimmt nicht an der Stadt, eher an mir selber.
Einmal war ich nicht so lange hier wie ihr. Das ganz Sightseeing hattet ihr schon hinter euch. Dann, so eine Reise mit Wohnung und vier Monate an einem Fleck bleiben hatte ich noch nie. Da ist mir erstmal die Decke auf den Kopf gefallen.
Als Stewardess bei der Pan Am bin ich früher in der ganzen Welt herumgekommen. Da kam man an in einer Stadt, checkte im Hotel ein, und dann blieb manchmal noch Zeit zu einer Sehenswürdigkeit zu fahren, ein Foto vom Times Square, vom Eiffelturm oder dem Colosseum in Rom. Ja, in Rom war ich, aber nicht in Palermo.
Wir waren toll, wir waren Role Models als Stewardessen, wir machten wirklich was her. Jedes Mädchen träumte davon, Stewardess zu werden. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, im Zeitalter der Ryan Air Billigflieger.
Ich war auch privat immer wie aus dem Ei gepellt. Shirley, das war die elegante Erscheinung mit den Bleistiftröcken, Twinsets und Perlenkette. Ihr sagt ja, die Hugelfinks altern nicht. Aber das stimmt nicht so ganz. Kelley hat graue Haare, Papa hat Rheuma und ich werde dick. Nicht fett, aber so, dass ich meine Klamotten nicht mehr zukriege.
Ich kam also hier an mit lauter geliehenen Klamotten. Schon das hat mich völlig fertig gemacht. Ich bin jetzt 72 und nehme plötzlich zu. Und ich spüre mich selbst nicht mehr. Ich bin tollpatschig geworden und mache alles kaputt. Ich habe Angst, dass es bald vorbei ist.
Und was in der Welt passierte, hat mir den Rest gegeben. Ob Gaza, Trump oder dieser unsägliche Wahlkampf in Deutschland. Überall Nazis, AfD, aber Scholz, Merz und Baerbock sind auch für die Tonne. Deutschland geht kaputt. Jeden Tag eine Konkurs-Meldung, Messerstecher Terroranschläge, BILD-Zeitung.
Sorry, ihr Lieben, ich war die ersten Wochen hier in Palermo wirklich ekelhaft!"
"Nu, darum solltest du ja auch mitkommen." sagt Ken. "Nicht nur um mit Yinka an historischen Studien zu arbeiten. Ich hab das gesehen, dass du Abstand von Deutschland brauchtest."
"Danke, Papa, was wäre ich ohne dich?" sagt Shirley. "Du siehst immer alles!
Die Leute hier in Palermo sind aber supernett und sehr gastfreundlich. Und unglaublich hilfsbereit. Das haben wir gesehen, als wir den Stess mit den Carabinieri hatten. Schnipp, Problem gelöst! Was wollten die eigentlich? Och, nur Bürokratie! Und wir wären beinahe vor Angst gestorben…"