
"Steffi, mein Kind, du bist eine wunderschöne Braut! Mir fehlen die Worte." sagt Eva. "Früher war es ja so, dass die Braut am Henna Abend weinen muss oder zumindest ernst schauen. Sie darf nicht lachen, weil es ja ihr Abschied von der Mama und den Geschwistern ist. Sie zieht ja jetzt zu ihrem Mann und seiner Familie.
Aber das ist ja jetzt nicht so, alhamdulillah! Du und Jafar bleibt ja bei uns wohnen."
"Ja, ich weiß auch nicht, ob man jetzt Henna Abend sagen kann." sagt Steffi. "Ich habe beschlossen, ich will kein Henna. Weißt du, das gab es auf Michaelas Hochzeit. Schade, dass du nicht da warst, Mama. Bei Michaela sah das wunderschön aus. Aber bei mir nicht. Sie ist ja auch dunkel, aber ich bin blond und hellhäutig, und bei mir wurde das Henna orange. Nee, das will ich nicht.
Ich hab auch allen gesagt, wir machen heute eher Bridal Shower, so wie in Amerika."
"Oh, ich kenne mich nicht aus mit amerikanischen Sitten wie Bridal Shower. Das musst du mir noch genauer erklären." sagt Eva. "Auch den Henna Abend kenne ich ja nur von Hochzeiten anderer. Als ich geheiratet habe, war das alles noch viel bescheidener.
Ich habe diesen amerikanischen Reporter, deinen Vater, 1946 geheiratet. Das war gleich nach dem Krieg, und da gab es nix."
Steffi spitzt die Ohren, genau wie Elly und Ashley. Die Mama redet nämlich sonst nie über Ken, und da ist vieles, was Steffi nicht weiß.
"Ich kam nach dem Krieg mit dem Dänischen Roten Kreuz nach Lübeck, und wir haben da in einem Waisenhaus gearbeitet. Dein Vater machte dort eine Reportage für eine amerikanische Zeitung. So haben wir uns kennengelernt.
Alle haben mich gewarnt: Hüte dich vor den Amerikanern! Sie machen den Mädchen schöne Augen und versprechen das Blaue vom Himmel herunter. Und im Handumdrehen ist das Mädchen schwanger und der Amerikaner verschwunden in Amerika.
Wir waren aber in der Britischen Besatzungszone, so viele Amerikaner gab es da gar nicht. Aber dein Vater beteuerte, so etwas macht er nicht. Und dann haben wir geheiratet.
Wir hatten um 8.00 Uhr morgens den Termin beim Standesamt. Mittags waren wir dann mit den Trauzeugen in einem Restaurant. Das war etwas ganz Besonderes. In Deutschland hungerten ja alle, Lebensmittel gab es nur mit Marken oder zu Wucherpreisen auf dem Schwarzmarkt. Auch wir Helferinnen aus Dänemark hatten nichts, na ja, ich bekam ab und zu Futterpakete von meinen Eltern aus Dänemark geschickt.
Das Restaurant, dort verkehrten hauptsächlich englische Lords und Offiziere, war etwas ganz Besonderes. Aber dein Vater hatte ja gute Beziehungen zu denen.
Es gab Grünkohl mit ein bisschen Lammfleisch darin - für mich ein Traum von Essen, ich habe den köstlichen Geschmack heute noch auf der Zunge!
Am Nachmittag haben wir dann in meiner bescheidenen Unterkunft gefeiert, mit den Kolleginnen vom Roten Kreuz. Mit mir waren auch zwei alte Klassenkameradinnen aus Aarhus dort, Else und Mette. Und die hatten eine Buttercremetorte gebacken. Wer weiß, woher sie die gute Butter, Eier und das Weizenmehl hatten? Und dazu echten Bohnenkaffee! Ich fühlte mich wie im Paradies! Niemals werde ich das vergessen!
Ich habe ja keine Geschwister, und deine Großeltern bekamen leider kein Visum und konnten nicht kommen. Aber deine Tante Mildred war aus Amerika gekommen. Zuerst machte ich mir großes Kopfzerbrechen, diese ärmlichen Umstände bei uns sind sicher nicht fein genug für sie. Aber dann war sie da, und hat mit ihrer Heiterkeit alle Wolken weggeblasen. Du kennst sie ja.
Oma und Opa besaßen damals ein Ferienhäuschen in Jütland am Meer, und dort verbrachten wir dann alle zusammen die Flitterwochen."
"Wow, Mama!" sagt Steffi. "Das ist ja unglaublich! Aber ich fühle mich jetzt auch wie im Traum! Elly, zwick mich ganz fest, damit ich weiß, dass das wirklich ist!"